Donnerstag, 3. September 2015

"Einiges über Seide" oder "Von Seidenspinnern und Leuten die Seide spinnen"

Hallo lieber Leser,

in den letzten zwei Wochen habe ich mich mal etwas ausgiebiger mit Seide beschäftigt und Seide gesponnen und möchte meine Erfahrungen gerne mit Dir teilen.

Seide wird, wie sicherlich bekannt ist, aus den Kokons der Seidenraupen gewonnen. Die Seide ist eine Proteinfaser, die von den Raupen durch eine Drüse produziert wird. Theoretisch ist es eine Endlosfaser, weil die Raupen sich ohne Unterbrechung verpuppen.

Die beiden Seidenarten die ich in den letzten Wochen versponnen habe sind Maulbeerseide und Tussahseide, wobei die erste von den Puppen des Maulbeerspinners und die zweite aus den Kokons des Eichenspinners gewonnen wird. Schon rein oberflächlich unterscheiden sich diese beiden Arten der Seide. Die Tussahseide ist etwas bräunlicher und der Faden auch minimal stärker als die reinweiße Maulbeerseide.
Es gibt aber noch einen anderen wichtigen Unterschied, der für einige vielleicht ein ausschlaggebendes Kriterium für den Kauf oder "Nichtkauf" von Seide darstellen wird. Die Maulbeerspinner werden heutzutage in großen Zuchtbetrieben (beispielsweise in Brasilien) aufgezogen und nach der Verpuppung der Raupen abgetötet. Dadurch gelangt man an den bereits erwähnten Endlosfaden, der dann einfach vom Kokon abgewickelt werden kann.

Bei der Tussahseide handelt es sich im Gegenzug um eine Wildseide. Hier wird der Kokon erst nach dem Schlüpfen des Schmetterlings verwendet. Der Faden ist somit an den Stellen, an denen sich der Schmetterling durch den Kokon "gefressen" hat, gerissen. Es ist also keine Endlosfaser mehr und die Qualität ist nicht ganz so hoch.
Die traditionelle Seidenraupenzucht funktionierte übrigens schon immer wie bei den Maulbeerraupen beschrieben, die Kokons wurden abgetötet.
Maulbeerseide, 97g, 730m, zweifädig
Ich denke, dass ist einfach eine Sache über die man mal Nachdenken sollte bevor man Seide spinnt oder sich Seidenstoffe kauft. Für einen Vegetarier ist es sicherlich ein Grund keine Maulbeerseide zu tragen, aber über die Verwendung von Tussah- oder anderen Wildseiden gibt es, meiner Meinung nach, keinerlei Bedenken. Die Kokons sind ja quasi nach dem Schlüpfen des Falters ein Abfallprodukt. Ich persönlich werde auch weiterhin  - in Maßen und mit Bedacht - Zuchtseide benutzen, da dieses Material faszinierend ist.

Jetzt würde ich aber gerne noch was über die Spinneigenschaften dieser beiden Fasern sagen. Die Maulbeerseide lässt sich, mit etwas Übung, sehr gut verspinnen. Es ist aber definitiv etwas anderes als Wolle zu verspinnen. Durch die sehr langen und vor allem sehr stabilen Fasern bedarf es einiger Kraft. Dafür aber liegen die Fasern super in der Hand und es fühlt sich fantastisch an. Maulbeerseide kann man bedenkenlos zu einem seeeeehr dünnen Faden verspinnen, denn Seide ist die reissfesteste Faser mit der ich bisher gearbeitet habe. Ich werde zukünftig sicherlich Stickgarne aus Seide herstellen. Die Maulbeerseide die ich hier gesponnen habe ist zweifädig, aber ich denke, dass man sie sogar einfädig sehr gut benutzen kann. Ich werde das demnächst mal überprüfen!

Tussahseide, 101g, 540m, dreifädig
Tussahseide lässt sich im Vergleich leichter spinnen, wenn man es gewohnt ist mit Wolle zu arbeiten. Das Gefühl habe ich als ähnlich empfunden. Auch diese Fasern gleiten weich durch die Hände, das Gefühl ist sehr schön! Allerdings wirkt der Einzelfaden im Vergleich zur Maulbeerseide recht stumpf, der "Seidenglanz" fehlt. Nach dem Verzwirnen (in meinem Falle Navajogezwirnt) kommt der Glanz jedoch ganz gut zur Geltung, wenn auch nicht so stark wie bei der Zuchtseide. Auch die Reissfestigkeit ist nicht ganz so ausgeprägt wie bei der Maulbeerseide, leider ist mit der sehr dünne Faden beim Verzwirnen 2-3 Mal gerissen...Der fertige Faden ist, trotz meines Frustes, jedoch wunderschön geworden und ich freue mich schon auf das Verarbeiten!

Als Fazit kann ich sagen, dass beide Fasern durchaus ihren Reiz haben und ich denke, ich werde mit beiden Fasern auch demnächst wieder arbeiten. Die Maulbeerseide vielleicht wirklich als Nähgarn oder als Beimischung zu anderen Fasern und die Tussahseide ist bestimmt fantastisch für leichte und edle Lacetücher.
Wie sind Deine Erfahrungen und wie stehst Du zur Seide? Seide wird ja vor allem gerne in Kammzügen beigemischt, nutzt Du solche Mischungen gerne? Über Kommentare oder Diskussionsbeiträge würde ich mich wahnsinnig freuen.

Zum Abschluss habe ich noch zwei interessante Dokus auf Youtube zum Thema Seide für Dich herausgesucht, die mir sehr gut gefallen haben.
Die Erste handelt von der Geschichte der Seidenraupenzucht und von den Seidenraupen an sich. Sie enthält viele spannende Fakten von denen ich vorher gar keine Ahnung hatte. Oder wusstest Du, dass man im 2.Weltkrieg in Privathaushalten Seidenraupen züchtete, weil Seide das einzige Material war um Fallschirme herzustellen? Hier mehr dazu: Doku Seidenraupen


Die zweite Dokumentation zeigt eine Seidenweberei in Kambodscha. Hier geht es aber um mehr als nur um Seide, es geht um die Verarbeitung des Bürgerkriegs. Ein wirklich bewegender Bericht, der mal wieder zum Denken anregt: Doku Kambodscha

Ich hoffe, Dir hat mein Artikel gefallen und Du konntest etwas mitnehmen! Mehr von mir gibts auf Facebook.


Ich wünsche Dir einen schönen Tag und bis bald!
Deine Seidenraupe

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